Mit DG zum Erfolg: Die LS10-st

ein Bericht von Jochen Ewald, veröffentlicht im “Magazin Segelfliegen”

TESTFLUG:

Als der renommierte Egelsbacher Segelflugzeug-Hersteller vor fünf Jahren mit der LS10 sein neuestes Produkt in der FAI-15/18-m-Klasse vorstellte, ahnten die wenigsten, dass die Firma kurz vor dem Konkurs stand. Nach dem Ende von LS übernahm DG den größten Anteil sowie die Kundenbetreuung. Bevor die Produktion von LS-Flugzeugen wieder aufgenommen werden konnte, dauerte es jedoch noch einige Zeit.

Als erstes LS-Flugzeug ging der Verkaufsrenner der 15/18-m-Standardklasse, die LS8, leicht modifiziert als LS8-s und motorisiert als LS8-st in die Produktion. Sie ergänzt die Bruchsaler Angebotspalette nach Einstellung der DG-300-Produktion optimal. Die Entwicklung des selbststartenden Motorseglers LS9 wurde nur insofern weitergeführt, dass die Zulassung der 10 bei Schneider gebauten Exemplare abgeschlossen wurde – DG hat mit der DG-808-Baureihe ja bereits ein ausgereiftes Flugzeug dieser Klasse im Programm. Das weitere Schicksal der LS10, von der ein Prototyp und die teilweise fertige Nr. 2 existierten, stand lange auf der Kippe. Letztendlich waren es die mit dem Prototypen und der inzwischen fertiggestellten Nr. 2 erzielten guten Wettbewerbserfolge, die DG überzeugten, die LS10-Entwicklung weiterzuführen und sie in das Produktionsprogramm mit aufzunehmen.

 

 

 

Im Rahmen der Erprobung

und „Eingliederung” in die DG-Produktpalette wurde die Konstruktion unter Beibehaltung der erwiesenermaßen hervorragenden Aerodynamik von den DG-Ingenieuren überarbeitet; die Serienversion erhielt die Bezeichnung LS10-s. Einige der vorgenommenen Änderungen bleiben „unsichtbar”, so zum Beispiel im Flügelinneren, wo die Struktur zur Standardisierung der Produktionsabläufe in der Herstellung dem „DG-Standard” angepasst wurde. Andere lassen nur den eingefleischten    LS-Piloten den Unterschied merken:
Das Cockpitinnere wurde mit dem Ziel, bessere Ergonomie und mehr Platz im Cockpit, besonders auch im Fußraum zu schaffen, überarbeitet. Dabei wurde auch das Radbrems-System von der ursprünglichen Pedalbetätigung auf Betätigung durch den Bremsklappenhebel umgestellt, dazu ein „Piggott-Haken” integriert. Der verhindert, dass sich nicht verriegelte Bremsklappen im Start heraussaugen können und bietet gleichzeitig, am hinteren Ende des Betätigungsweges, eine Parkbremsfunktion bei ausgefahrenen Bremsklappen.
Die Innenflügel-Halbspannweite wurde auf 7 m festgelegt, die Trennstelle zum Anstecken der Außenflügel mit einer einfachen Federschnapp-Bolzenverbindung ausgeführt.
In den Rumpf-Flügelübergang wurden die bei DG entwickelten „Mückenputzergaragen” integriert, so dass beim Flug mit Mückenputzern kein Zusatzwiderstand entsteht. Zudem wurde die LS10-s mit einem Motorkasten im Rumpf ausgestattet, so dass sie auch nachträglich mit der bereits in der LS8-st bewährten Heimweghilfe-Motorisierung („Turbo”) ausgestattet werden kann.
Last, but not least, entwickelte DG-Ingenieur und LS10-s Projektbetreuer Clemens Mandl die im letzten Heft ausführlich vorgestellte „Mandl-Absaugung”, die den Innendruck im Flugzeug senkt und dadurch Leistungsverluste durch umströmungsstörende, an Hauben- und Ruderspalten austretende Luft vermeidet.
In Bruchsal stand mir zum Probeflug die LS10-st/18m D-KXLS zur Verfügung. Sie ist die dritte LS10 und gleichzeitig das erste komplett in Bruchsal hergestellte Flugzeug dieses Typs. Bis auf einige kleine Details entsprach sie jedoch dem aktuellen Serienstandard.

Die Flügelmontage

geht dank der horizontalen Hänle-Automatikanschlüsse für Flaperons und Bremsklappen sowie der beiden Wippen-Übertragungen für die Wasserballast-Ventile sehr einfach und schnell, die Außenflügel werden mit ihren Holmzungen eingeschoben bis ihr Schnappbolzen einrastet. Dabei verbindet sich das Außenruder des 18-m-Flügels über zwei Stifte mit den inneren Flaperons. Das ebenfalls automatisch anschließende Höhenleitwerk wird nach „Schneider-Standard” aufgelegt und mit einer über Feder-Druckkugel selbsttätig sichernden Mutter auf seine konischen Bolzen gezogen. Diese Schrauberei ist zwar ein wenig umständlich, bietet aber gerade bei mit Motor ausgestatteten Flugzeugen den großen Vorteil, dass eine dauerhaft spielfreie Verbindung entsteht, die durch Motorschwingungen nicht ausschlägt.

Der Einstieg ins Cockpit

ist dank des mit der Haube hochklappenden Instrumentenpilzes bequem, die am Boden einstellbare Rückenlehne und die Verstellpedale ermöglichen fast jedem eine bequeme Sitzposition. Obwohl die ursprünglich von der LS6 stammende Rumpfform eher zu den „schlanken” Rümpfen gehört, bietet sie in der LS10-s bei erhöhtem Sicherheitsstandard durch geschickten Innenausbau spürbar mehr Platz. In diesem „DG-Prototypen” waren der Ausklinkknebel noch ein wenig zu weit vorne, der Dekompressionshebel ein wenig zu weit hinten, die Ablassknöpfe für den Wasserballast schlecht zu greifen und der Brandhahn kaum sichtbar unter dem rechten Haubenrahmen verborgen. All das wurde inzwischen geändert, wie ich mich an einem fast fertigen Flugzeug aus der Serienproduktion überzeugen konnte.
Dort lagen alle Bedienelemente ergonomisch gut in der Hand. Im Sitz war auch ein NOAH-System installiert. Diese Notausstiegshilfe verkürzt die zum schnellen Verlassen des Flugzeugs benötigte Zeit wirkungsvoll: Nach dem Haubennotabwurf durch komplettes Zurückziehen der beiden griffigen roten Öffnungshebel am Haubenrahmen fliegt die Haube (hinten durch den Röger-Haken gehalten) kontrolliert ab, ein Zug am gelb-roten NOAH-Auslöseknebel rechts am Instrumentenbrett löst die Gurtverbindungen und pumpt das Sitzkissen auf, so dass der Pilot auch unter g-Lasten blitzschnell auf Höhe des Haubenrahmens gehoben wird und sich nur noch aus dem Cockpit zu rollen braucht. Ein sinnvolles, gegebenenfalls lebensrettendes Extra, das ich nur empfehlen kann.
Für den „normalen” Ausstieg und den Notausstieg ohne NOAH-Hilfe halte ich allerdings die Integration einer kleinen „Trittstufe” in den Cockpitboden zwischen Knieauflage und Pedalen für sinnvoll—damit könnte man sich leichter „herausschieben”.

 

Ich flog die D-KXLS in 18-Meter-Konfiguration (15-m-„Ohren” waren für dieses Exemplar leider nicht verfügbar) mit vollem Benzintank, Heckbatterie und einem Ballastgewicht vor den Seitenruderpedalen, das Fluggewicht war etwa 430 kg bei leicht hinterer Schwerpunktlage. Die Wölbklappen der LS10-st können von -4° über -2°, 0, +4°, +7° bis zur Landestellung L gerastet werden, die in diesem Flugzeug noch rastbare Stellung +10° gibt es in der Serie nicht mehr. Gestartet wird in der Stellung +4°. Schalten im Anrollen ist dabei nicht notwendig, da die Querruder von Anfang an hervorragend wirken und gleichzeitig der Auftrieb groß genug ist, dass die LS10-st nicht übermäßig lange am Boden klebt. Geschleppt werde ich von einem „Power-Schlepper”, dem russischen Vollakro-Turngerät SP-91, der sich erst bei etwa 15o km/h in der Luft „wohl fühlt”, deshalb nehme ich die Klappenstellung bereits kurz nach dem Abheben vorsichtig auf 0° zurück — bei 150 km/h ist der Schlepper auch in dieser Stellung noch deutlich über dem Panel sichtbar, die Lasten auf die Flaperons und damit die Steuerkräfte werden verringert. Das Fahrwerk lässt sich mit dem in Längsrichtung liegenden Griff an der rechten Bordwand, der durch Nach-innen-Kippen gut sicht- und fühlbar entriegelt wird, leichtgängig einfahren. Wie in der LS6 ist auch hier die eingefahrene Stellung vorne.
Die Cockpitbelüftung durch den Einlass vorne an der Haube ist—wohl nicht zuletzt auch dank der im letzten Heft ausführlich beschriebenen „Mandl-Absaugung” unten am Rumpf gut.

Das Überziehverhalten ist gutmütig:

In der Wölbklappenstellung o° beginnt sich die Steuerung bei 72 km/h IAS weich anzufühlen, leichtes Schütteln setzt ein, bis zum Übergang in den Sackflug bei 68 km/h nimmt der Anstellwinkel unter verstärktem Schütteln deutlich zu. Bei weiterem Durchziehen des Knüppels setzt Taumeln ein, das eine Weile mit vorsichtigen Seitenruderausschlägen kompensiert werden kann, bevor die LS10-st letztendlich abkippt.
Beim Nachlassen des Höhenruders stoppt die Drehung sofort. In der Wölbklappenstellung +7° sind die angezeigten Geschwindigkeiten bei gleichem Verhalten 5 km/h niedriger, auf L geht’s nochmals 1 km/h langsamer. Beim Ausfahren der wirksamen Bremsklappen erhöht sich die Mindestfahrt um 7 km/h.
Die Auswirkung der Klappenstellung auf die Trimmung passt: Ausgetrimmt auf 8o km/h in der Landestellung L, beschleunigt die LS10-st in den Klappenstellungen 4/0/-2/-4 auf 110/130/140/160. Zum Verstellen der Federtrimmung genügt im unteren Geschwindigkeitsbereich ein Zug am Entriegelungshebel am Steuerknüppel; um höhere Geschwindigkeiten kraftfrei auszutrimmen, muss der Anzeigeknopf auf der linken Konsole dabei vorgeschoben werden. Wie schon bei einigen DG-Seglern lässt sich der Entriegelungshebel auch durch einen Drahtbügel in der Stellung „Entriegelt” fixieren —ein Extra, das ich gerade während des Kurbelns in der Thermik bei den geringen „natürlichen”, mit der Fluggeschwindigkeit eindeutig ansteigenden Ruderkräften als sehr angenehm empfand.
Gut gelungen auch die Ruderabstimmung: In der Klappenstellung o° bei 110 km/h absolviert die LS10-st mit dem 18-m-Flügel bei Ouer- und Seitenruder-Vollausschlag den 45°-Kreiswechsel schiebefrei in 4,2 Sekunden, bei 100 km/h in der Klappenstellung +4° braucht sie gut fünf Sekunden, wobei das Seitenruder dann relativ etwas weniger wirksam ist. Die Thermik lässt sich in der Stellung +4° hervorragend zentrieren, nach Umschalten auf +7° steigt der 18-m-Segler, leicht mit dem Querruder abgestützt, bei gut 8o km/h und 3o° Schräglage in ruhiger Luft oder mit 90 km/h bei 45° in ruppiger Thermik „wie ein Luftballon”.

Über die Flugleistungen braucht man hier wohl keine großen Worte mehr zu verlieren — auf den Wettbewerben der letzten Zeit hat sie klar gezeigt, dass sie zur absoluten Spitzengruppe ihrer Klasse gehört. Ihr Komfort und ihre angenehmen Flugeigenschaften machen es ihren Piloten einfach, „herauszuholen was drin steckt”.

Die LS10-s ist serienmäßig mit einem Motorkasten im Rumpf ausgestattet, denn die meisten Kunden bestellen die „Füllung” dieses Kastens gleich mit — bei den heutigen Spritpreisen amortisiert sich der Mehrpreis für die Heimweghilfe durch gesparte Rückholtouren bald. Ganz abgesehen vom Zeitaufwand und der Minimierung des Außenlanderisikos. Die Antriebseinheit wurde nahezu unverändert vom Standardsegler LS8-st übernommen und zählt dank der Perfektionierung der Steuerung mittels des bei DG entwickelten „kleinen” DEI-NT zu den einfachst zu bedienenden:
Zum Starten des Antriebs schalte ich bei 90 km/h den Zündschalter ein. Der Motor fährt aus, wobei der Propellerstopper den Propeller automatisch freigibt, sobald er nicht mehr an den Abdeckklappen anschlagen kann. Währenddessen ziehe ich den Dekompressionshebel und beschleunige auf 140 km/h. Sobald der Propeller durchdreht, lasse ich den Deko-Hebel wieder los, der Motor nimmt seine Arbeit unter auch ohne Kopfhörer noch erträglicher Geräuschentwicklung auf. Die Abdeckklappen bleiben während des Motorbetriebs geöffnet. 20 bis 25 Sekunden und zwischen 5o und 8o m Höhe benötige ich vom Beginn bis zum tiefsten Punktdes Startvorganges. Nachdem ich die Fahrt auf eine Fluggeschwindigkeit von 85 km/h zurückgezogen habe, dreht der direkt angetriebene Propeller mit 5.000 Touren. Dabei liefert er in den Klappenstellungen +4° und +7° rund einen Meter pro Sekunde Steigen. Das ist die sinnvollste Steigflug-Konfiguration für spritsparenden Sägezahn-Betrieb. Aber auch flotter Horizontalflug ist problemlos möglich: Die maximale Dauerdrehzahl des Solo 2350 liegt bei 5.5oo Touren, und bei dieser Drehzahl erreicht die LS10-st ihre maximale horizontale Reisegeschwindigkeit von 15o km/h.
Beim Überziehen im Kraftflug (Klappen auf +7°) zeigt sich die LS10-st noch gutmütiger als im Segelflug: Unter 7o km/h-Anzeige wird die Steuerung weich, unter 65 setzen leichtes, mit dem Seitenruder problemlos auskorrigierbares Taumeln und (durch die Verwirbelungen über dem Rumpf) „eklige” Propellergeräusche ein. Selbst im Sackflug bei 6o km/h Anzeige lässt sie sich noch halten.
Auch das Abstellen des Antriebs geht schnell und einfach: Bei etwa 8o km/h die Zündung aus, und der Antrieb kippt ein wenig nach hinten. Ein kurzer Zug am DekoHebel, der Propeller stoppt und der Antrieb fährt noch ein wenig weiter ein, so dass der Propellerstopper vorschwenkt. Langsam dreht der Luftstrom den Propeller bis an den Stopper – mit einem kurzen Zug am Deko-Hebel lässt sich das beschleunigen. Sobald der Propeller senkrecht steht, fährt der Antrieb komplett ein – in unter 25 Sekunden ist die LS10-st wieder zum Segler geworden.
Die Landung bereitet keine Probleme: Als Basis-Anfluggeschwindigkeit erscheinen in der Klappenstellung “L” 95 km/h passend. Beim Herausnehmen der hervorragend wirksamen Bremsklappen erhöht sich die vorher eingetrimmte Geschwindigkeit um 10 km/h; das passt, ich brauche die Trimmung im Anflug nicht umzustellen,
Auf Wunsch kann sie auch gut wirksam geslipt werden: bei vollem Ouerruderausschlag benötige ich etwa 80% Gegenseitenruder, wobei das Seitenruder leicht in Richtung Anschlag auswehen möchte. Beim Ausfahren der Bremsklappen im Slip nimmt sie die Nase herunter, das Höhenruder reicht jedoch gut aus, um eine zu starke Fahrterhöhung zu verhindern. Komplett abgefangen setzt sie mit dem Spornrad deutlich vor dem komfortabel gefederten Hauptrad auf. Die großen Flaperons bieten auch in der Landestellung eine hervorragende Kontrolle bis fast zum Stillstand, „Zurückschalten” ist nicht notwendig.
Die Wirkung der über den Bremsklappenhebel betätigten Tost-Trommelbremse war bei meinem Flug recht schwach – die D-KXLS war gerade von der deutschen Meisterschaft in Lüsse zurückgekehrt, ihr Bremsseil, wie bei seilbetätigten Trommelbremsen dann und wann einmal nötig, noch nicht nachgestellt.
Mit der inzwischen auf volle Touren angelaufenen Produktion der LS10-s(t) erweitert DG die Palette der FAI-15/18-Meter-Segler um ein angenehm und effektiv zu fliegendes Wettbewerbsflugzeug der Spitzenklasse, das sicher nicht nur eingefleischte „LS-Fans” anspricht. Und nicht nur im Wettbewerb ist sie „top”. Dank ihrer einfachen und gutmütigen Flugeigenschaften lässt sie sich hervorragend als Clubflugzeug einsetzen. Dazu ist ihre optionale Motorisierung dank des ausgereiften DEI-NT-Steuergerätes von DG quasi „narrensicher” und bestens für den Vereinsbetrieb geeignet. Der zur Produktionsvereinfachung serienmäßig integrierte Motorkasten erlaubt auch bei der als reiner Segler gekauften LS10-s jederzeit die nachträgliche Motorisierung.

Technische Daten LS10-s (in Klammern: st)
Spannweite (m) 15/18
Flügelfläche (qm) 10,27/11,45
Streckung 21,9/28,3
Rumpflänge (m) 6,76
Rumpfhöhe (m) 1,37
Wasserballast Flügel/Hecktanks (Ltr) 190/8
Leermasse (kg) 288 (328)/295 (335)
Max. Startmasse (kg) 540/600
Min. Flächenbelastung ca. (kg/qm) 35,8 (39,7)/32,8 (36,2)
Max. Flächenbelastung (kg/qm) 52,4/52,6
Vne (km/h) 280
Mindestfahrt (km/h bei 420 kg) 71/67
bestes Gleiten (bei 525 kg) 1:45 1:50
geringstes Sinken (m/s bei 420 kg) 0,61/0,51
Motor SOLO 2350
Propeller DG 2-Blatt starr, Direktantrieb
Leistung 21PS /15,4 kW bei 55oo rpm
Tankinhalt 13 Ltr
Steigleistung 1,1 m/s bei 18 m Spannweite und 420 kg