LS8: Erste Turbos aus Bruchsal
Bericht aus dem Aerokurier 09/2005 von Gerhard Marzinzik
DG-Flugzeugbau hat nach Übernahme der LS-Baureihe von Rolladen-Schneider nun die ersten LS8-st ausgeliefert. Was hat sich geändert, was ist geblieben an dem Erfolgsmodell?
Sie fliegt seit über zehn Jahren (Pilot Report “Der Meistermacher” im aerokurier 11/1994) und ist immer noch hochaktuell. Wettbewerbspiloten schwören auf die LS8. In Vereinen und bei Freizeitpiloten steht sie hoch im Kurs. Gerd-Peter Lauer wurde mit ihr gerade erst Deutscher Meister in der Standard-Klasse (im Team mit Reinhard Schramme auf Discus 2a), der Tscheche Pavel Louzecky neuer Europameister. Dem Schweizer Rolf Friedli reichte es bei der EM 2005 in der von Wölbklappenflugzeugen dominierten 18-m-Klasse mit einer LS8-st hinter drei reinen Segelflugzeugen noch für Platz vier.
Nach ihrem Start als reines Standard-Klasse-Flugzeug mit zweiteiligern 15-m-Flügel wuchs die LS8 mit den modifizierten Ansteckflügeln des Schwestermodells LS6 rasch in die 18-m-Klasse. Wie konkurrenzfähig sie auch mit der großen Spannweite ist, bewies Claus Triebel mit seinem Titelgewinn bei den Deutschen Meisterschaften der 18-m-Klasse 2000 in Mengen.
Bei Rolladen-Schneider verließ die LS8 zuletzt in den Modellvarianten -b und -t das Werk in Egelsbach. Bei DG-Flugzeugbau in Bruchsal wurde daraus die LS8-s und -st. Was ist anders? Wofür steht das “-s”? Es könnte für “solide” oder besser “konventionelle Technik” stehen. Denn von der “t-” zur “-st-“Variante hat DG-Flugzeugbau der LS8 den unter Klapptriebwerks-Motorseglern etwas exotisch erscheinenden (aber keineswegs unsoliden), hydraulisch betriebenen Klappmechanismus genommen und gegen den üblichen elektrischen Spindelantrieb getauscht. Wie schon das Egelsbacher b-Modell steht die s-Version auf einem großen 5-Zoll-Rad und soll damit in der 18-m-Version für ein maximales Fluggewicht von 575 kg zugelassen werden. Das macht sie fit für Wetterlagen mit starker Thermik, Aufwindreihungen und die neuen Gewichtslimits für Wettbewerbe. Es ist eine maximale Flächenbelastung von 50 kg/m’ möglich.
Wie weit die LS8-st ihren LS-Charakter behalten hat, sollte ein Flug klären, denn mit dem veränderten Antriebskonzept hat eine Portion DG-Philosophie in Sachen Motorbedienung Einzug ins Cockpit gehalten. Zur Verfügung stand ein noch bei Rolladen-Schneider als LS8-t gebauter Turbo, der in Bruchsal umgerüstet wurde.
Auf den ersten Blick ergibt sich beim Einstieg kein Unterschied zur LS8-t, die ich drei Jahre zuvor bei Rolladen-Schneider geflogen bin (Pilot Report aerokurier 8/2002). Nur die Instrumentierung – hier ist das Ilec-Motorüberwachungs- und -steuergerät dem DG-eigenen DEI (Digital Engine Indicator) gewichen – ist ein erster dezenter Hinweis auf die Modifikation. Die nur am Boden zu bedienende Rückenlehnenverstellung ist geblieben, ebenso die LS-typische Betätigung der Radbremse (Trommelbremse) über die Seitenruderpedale. Über den 18-m-Flügel schaue ich zu den hier grazileren LS-Winglets, für Flüge mit 15 m Spannweite münden die Flügelspitzen weiterhin in die tatsächlich bewährten “Elefantenohren”. Alles was zunächst einmal als veränderungsbedürftig erklärt worden ist, hat sich bei näherem Hinsehen als praktisch und leistungsfähig herausgestellt,
Hinter dem 360-PS-Kraftprotz SP-91 von Alwin Güntert ist die LS8-st in Bruchsal fast gleich nach dem Straffen des Seils in der Luft. An Gewicht hat die LS8-s gegenüber der LS8-a ja auch kaum zugenommen. Der verstärkte Holm und die zusätzlichen, motorbedingten strukturellen Veränderungen und Einbauten im Rumpf wurden mit einer Umstellung der Fertigung des Leitwerksträgers von GfK auf CfK aufgefangen. Für Tank und Antrieb (Motor und Propeller) kommen bei der -st dann noch einmal rund 30 kg hinzu.
Im Flug ist der LS8-st die Zusatzmasse im Rumpf nicht anzumerken. Ich lasse sie in den ersten kurzen und noch lauen Blauthermikblasen des Sommervormittags aufdrehen.
Bei den vorangegangenen Suchschleifen bin ich schnell in die LS8 hineingewachsen. Erst im Nachhinein wird mir bewusst, wie rasch und fließend sich meine Aufmerksamkeit für Auf- und Abwärtsbewegungen bis in die Flügelspitzen ausgestreckt hat, gerade so, als gehörten die 18-m-Flügel zur eigenen Person. Die LS8 macht es einem leicht, der Thermik nachzuspüren.
Mit den harmonisch abgestimmten Rudern, wobei zum vollen Glück es noch ein wenig Seitenruderwirkung mehr sein dürfte, ist es ein Leichtes, mit der LS8 den ersten Anzeichen von Aufwärtsbewegungen zielgerichtet zu den besten Stellen von Aufwinden zu folgen. Ins Zentrum gesetzt, kurbelt sie angenehm stabil. Träge ist sie deshalb nicht. Veränderungswünschen folgt sie agil. Für den Kurvenwechsel von 45 zu 45 Grad Schräglage braucht sie bei 95 km/h rund viereinhalb Sekunden.
Vor dem Überziehen warnt sie deutlich mit tiefem Horizont und starkem Rubbeln. Auch wenn der Instrumentenpilz dabei schon zu zittern beginnt, lässt sie sich noch mit allen Rudern halten. Ihr vorhersehbares Verhalten, ganz ohne giftige Überraschungen, vermittelt Sicherheit. Einzig der labile Instrumentenpilz hinterlässt Zweifel bezüglich der passiven Sicherheit im Crashfall, Mit strukturellen Verstärkungen, so hat schon Rolladen-Schneider argumentiert, soll die LS8 allerdings hohen Ansprüchen bei der passiven Sicherheit genügen.
Das Triebwerk ist schnell in Betrieb genommen. Das DEI macht die Handhabung leicht und reduziert die notwendige Aufmerksamkeit durch weitgehende Automatisierung auf ein Minimum. Nur wenige Checkpunkte sind zu beherzigen: Geschwindigkeit auf rund 90 km/h reduzieren, damit der Fahrtwind es dem Ausschwenkmechanismus nicht zu schwer macht, Brandhahn auf, Zündung ein (aktiviert das Ausfahren), und sobald das Triebwerk die Endposition erreicht hat, die Dekompressionsventile öffnen und andrücken bis auf 140 km/h.
Im Windmühleneffekt kommt der Motor auf Touren
Im Windmühleneffekt hat es der Propeller jetzt leicht, den Motor auf Touren zu bringen. Werden dann die Dekos geschlossen, springt er an, und die Fahrt kann wieder auf 90 km/h für bestes Steigen reduziert werden. Um rund 100 Höhenmeter taucht die LS8 bei diesem Manöver ab. Nach dem Hochziehen bleibt davon ein Höhenverlust von zirka 40 m. Ich probiere es einige Male aus, wobei der Motor jeweils auf Anhieb anspringt. Auch in Stresssituationen sollte das leicht von der Hand gehen, der hohe Automatisierungsgrad macht’s möglich.
Nach Handbuch klettert die LS8-st mit 1,3 m/s (Angabe für 500 m). In 2000 m sollen es noch 0,7 m/s sein. In der schon unruhigen Luft lässt sich das nicht so leicht nachvollziehen. Es geht mal besser, mal schlechter aufwärts. Wieder auf rund 140 km/h beschleunigt, lässt sich die Höhe halten – in dieser Betriebsart könnte unter dem Deckel von Höhenbeschränkungen freier Luftraum aufgesucht werden. Die beste Reichweite mit den maximal in Haupt- und Zwischentank unterzubringenden 17 Ltr. Gemisch lässt sich aber im Sägezahnverfahren erzielen. Getankt wird über eine interne Pumpe und eine Schlauchschnellkupplung.
Beim Einfahren des Triebwerks zahlt sich die von DG vorgenommene Umstellung auf die automatische Steuerung über das DEI erst so richtig aus. Bei “Zündung aus” wird der Zündkreislauf unterbrochen, der Motor klappt ein Stück zurück und dreht aus, was sich durch Ziehen der Dekos bis zu rund 1000 U/min etwas beschleunigen lässt. Das mag zwar widersinnig erscheinen, denn in der senkrechten Stellung dreht dabei der Motor ja leichter, aber es funktioniert. Bei Stillstand beziehungsweise ganz langsamem Drehen des Props klappt der Motor ein weiteres Stück zurück, wobei der Propellerstopper in den Luftschraubenkreis vorrückt. Sobald der Propeller senkrecht steht und am Stopper ansteht, fährt der Motor ganz ein. Das Vorrücken gegen den Propellerstopper lässt sich durch etwas Fahrtaufnahme oder erneutes Ziehen der Dekos beschleunigen.
Über den aktuellen Status dieses Vorgangs informiert den Piloten das DEI. Eine Grafik zeigt die jeweilige Stellung des Motors. Zusätzlich gibt es einen kleinen Spiegel. Die Unterbringung des DEI erfolgte allerdings nicht ganz optimal. Im festen Fuß des I-Pilzes ist es zwar raumoptimal angebracht, versteckt sich dort aber hinter dem Steuerknüppel, so dass ein bewusstes Um-den-Knüppel-Herumlugen notwendig wird.
Im Motorbetrieb informiert das DEI über die wichtigsten Motordaten wie Drehzahl, Temperaturen und Kraftstoffvorrat. Gegebenenfalls auch über Fehlfunktionen. Für besonders schwere Ausfälle gibt es auch einen manuellen Notmodus, in dem das Triebwerk unabhängig von allen Sicherungsfunktionen zurückgeschwenkt werden kann, um den Widerstand zu verringern.
Ein ausgeklappter, nicht laufender Motor (feststehender Propeller) erhöht im Vergleich zur Konfiguration als reines Segelflugzeug das Eigensinken von 0,51 m/s auf rund 1,1 m/s. Das beste Gleiten reduziert sich von 48 bei 100 km/h auf rund 25 bei 95 km/h. Lastigkeitsänderungen bei einem (plötzlichen) Motorausfall bleiben gering.
Insgesamt hat die Turbo-LS8 mit der Umstellung auf den elektrischen Spindelantrieb und die weitgehende Automatisierung der Handhabung mit dem DEI deutlich gewonnen.
In allem anderen blieb der Charakter dieses LS-Typs voll erhalten, der ihn zu dem immer noch aktuellen Erfolgsmodell gemacht hat.
– Gerhard Marzinzik –