Dyneema Seile im Windenstart

von Tobias Ernst aus “Magazin Segelfliegen” 4/5-2009

Teil 1 – Das Material

Sieben Jahre sind vergangen seit den ersten Versuchen. Die in dieser Zeit gewonnenen Erkenntnisse zu den Bereichen Material, Betrieb, Leistung und Wartung von „Kunststoff-Seilen” können für Vereine eine wichtige Entscheidungshilfe sein.

In einem 12-fach-Geflecht läuft eine Kardeele über 2, unter 2

Anfang dieses Jahrzehnts ersetzten der Aero-Club Landau und die Segelflugschule Oerlinghausen die Stahlschleppseile ihrer Startwinden durch Seile aus Kunstfasern, genauer gesagt aus Dyneema, gemeinhin auch „Kunststoff-Seile” genannt. Die Motivationen waren dabei unterschiedlich. In Landau wünschte man sich auf der 1200 m langen Schleppstrecke mehr Ausklinkhöhe für die leichten Einsitzer aus Holz sowie für schwere Doppelsitzer, für die die Motorleistung der vorhandenen Winde knapp bemessen war.
Auf dem Segelflugplatz Oerlinghausen hatte man einen hohen Reparaturaufwand für die Stahlseile, weil sie auf dem nutzbaren Untergrund schnell verschlissen. So entschied man sich auf diesen beiden Plätzen auch für zwei unterschiedliche Konstruktionen: beschichtetes bzw. umflochtenes Dyneema-Seil.

Die Faser

Dyneema ist der Handelsname des niederländischen Herstellers Royal DSM für sein hochmodulares (zugfestes) Polyäthylen (PE). PE ist allgemein als preisgünstiges Verpackungsmaterial und dehnbare Frischhaltefolie bekannt. Das PE für Dyneema wird jedoch in einem anderen, DSM-eigenen Verfahren synthetisiert und gesponnen, d.h. zu sehr dünnen und damit weichen, weiß erscheinenden Endlosfasern gezogen. Dabei entstehen sehr lange gerade Moleküle, die parallel zur Faser ausgerichtet sind. Auf diese Weise kommt eine sehr hohe Zugfestigkeit zustande. Die Massedichte von PE liegt knapp unter 1 g/ccm und damit unter der von Wasser, weshalb Dyneema so leicht ist, dass es schwimmt. Draht dagegen hat eine Dichte von 7,8 g/ccm und auf sein Volumen bezogen etwa die gleiche Bruchlast wie Dyneema. Dyneema wird bei Temperaturen ab 70°C weich und leicht streckbar. Es ist von Natur aus gut UV-verträglich und kann mit Zusatzstoffen weiter UV-stabilisiert werden. Dyneema widersteht kurzzeitig sehr hohen Zugkräften, bei andauernder Belastung dehnt es sich aber und wird dünner. Dieses Verhalten nennt man Kriechen.

Hauptanwendungen

Dyneema hat aufgrund seiner ausgeglichenen Kombination von Eigenschaften und der sehr aktiven Vermarktung durch den Faserhersteller eine weite Verbreitung gefunden. DSM beliefert nahezu alle mittleren und größeren Seilhersteller in Europa. Zugleich sind die hervorzuhebenden Eigenschaften von Dyneema für die Schifffahrt -dem Hauptabsatzmarkt von Seilprodukten – von besonderem Nutzen, während seine einschränkenden Eigenschaften dort weniger zum Tragen kommen.
Im Segelbootbereich, dem die Seilkonstruktionen für unsere Startwinden entliehen sind, werden sie zum Verspannen und Trimmen der Segel von Regatta-Booten eingesetzt. Verzinkte Drahtseile sind nicht korrosionsbeständig genug, schwerer, weniger flexibel und können „einschneidende” Schäden am Boot sowie schwere Verletzungen der Crew verursachen, wenn sie beim Reißen zurückschnelzen. Edelstahlseile sind kostspielig und weniger zugfest bzw. dicker. Durch spezielle Nachbehandlung können Dyneema-Seile ähnlich inelastisch gemacht werden wie Drahtseile, was für die Trimmung eines Segelbootes wichtig ist. Da die Seile auf den Segelwinschen unter sehr hohem Anpressdruck gleiten, werden sie in diesem Bereich meist mit einer Umflechtung aus Polyestergarn (PES) versehen, das scheuerfester als Dyneema ist.
Die UV-Beständigkeit ist ebenfalls von Bedeutung, weil sich die Boote in der Regel während der gesamten Saison im Freien befinden. Auf dem Wasser stellt die geringe Temperaturfestigkeit in der Regel keine Rolle. Preislich bewegen sich Seile dort in einem bezahlbaren Rahmen, weil keine so großen Längen benötigt werden wie im Windenstart. Man kann sich daher eine Überdimensionierung leisten, auch weil die Seildicke auf einem Boot im praktischen Gebrauch kaum Nachteile mit sich bringt.

Konstruktion

Dyneema-Fasern sind prinzipbedingt so dünn und weich, dass man aus ihnen kein zusammenhaltendes Seil drehen kann, wie es z.B. mit Draht oder Naturfasern möglich ist. Dyneema-Garne werden dagegen geflochten. Weil geflochtene Fasern nicht parallel zum Seilkraftverlauf liegen, müssen in einem geflochtenen Seil doppelt so viele Fasern verarbeitet werden wie theoretisch bei paralleler Anordnung für die gleiche Zugfestigkeit benötigt würden. In einem geflochtenen Seil läuft in der Regel die Hälfte der Kardeelen links herum, die andere Hälfte rechts herum. Für eine gleichmäßige Lastverteilung ist es daher wichtig, dass das Seil im Betrieb nicht verdrallt wird. Rotierende Seilfallschirme darf man auf keinen Fall einsetzen.
Ein Seil kann aus einer unterschiedlichen Anzahl von Kardeelen geflochten werden, die sich nach dem gewünschten Seildurchmesser, der angestrebten Seiloberfläche und der verfügbaren Flechtmaschine richtet. 8-fach geflochtene Seile besitzen eine wellige und griffige Struktur, erreichen aber bei gleichem Außendurchmesser wegen der geringeren Faserdichte und der engeren Biegeradien der Fasern keine so hohe Festigkeit wie Seile mit mehr als 8 Fäden bzw. Kardeelen. Im Windenstart werden hauptsächlich 12-fach geflochtene Seile eingesetzt. Sie sind nahezu glatt. Ein Kardeel besteht zu diesem Zweck oft aus 2 nebeneinander liegenden Garnen, welche „über 2, unter 2″ verlaufen. Zum Schutz des Dyneema-Geflechts vor Reibung und Licht kann das Seil auf die gleiche Weise mit Polyestergarn umflochten werden. Das Seil wird dadurch aber auch dicker, deutlich schwerer und schwieriger zu spleißen. Polyesterfasern können bei ihrer Synthese durchgefärbt werden und verblassen auch über lange Zeit kaum.

Nachbehandlung

Dem Seilhersteller stehen mehrere Möglichkeiten zur Verfügung, die Gebrauchseigenschaften seines Seils nach dem Flechten zu verbessern. Dyneema-Seile ohne Ummantelung werden üblicherweise mit Polyurethan (PU) beschichtet. PU vernetzt beim Aushärten gut und bildet dadurch einen dünnen und trotzdem relativ dauerhaften Überzug. Es erlaubt die farbige Markierung des Seils, reduziert das Zerfasern, erleichtert das Spleißen, behindert das Eindringen von Schmutz und Wasser (um die Bildung von zerstörerischen Salzkristallen zu verhindern), erhöht die UV-Festigkeit und verbessert die Haltekraft von Spleißen. Im gleichen Arbeitsgang wie das Tauchen in flüssiges PU können die Seile beim Hersteller über 70°C erwärmt und gereckt werden. Dadurch erhöht man die Faserdichte und reduziert die Elastizität bei Arbeitslast auf weniger als 1%. Das Seil verhärtet und seine Flexibilität nimmt ab. Die Bruchlast auf dem Prüfstand steigt, auf die Arbeitslast hat dies aber keine Auswirkung.

Arbeitslast

Viele Seilhersteller werben für Dyneema mit einer 8-fach höheren Bruchlast als Stahl (vergleiche Massedichte). Für den Betrieb in der Praxis ist die Bruchlast aber nicht entscheidend, sondern die Arbeitslast. Die Arbeitslast darf nicht überschritten werden, damit sich das Material nicht dauerhaft verformt. Die aktuelle Bauvorschrift für Startwinden (BFST, Ausgabe von 1986) des DAeC berücksichtigt Kunstfaserseile nicht und fordert für die Bruchlast nur 5o% Aufschlag zum Gewicht des schwersten Flugzeugs, dem Äquivalent der auftretenden Seilkraft. Stahl toleriert Zugkräfte größer als 8o% seiner Bruchlast, bevor er die Streckgrenze erreicht. Dyneema darf dagegen maximal 2o% – 3o% seiner Bruchlast ausgesetzt werden, und das möglichst auch nur für kurze Zeit. Anderenfalls beginnt es zu kriechen, d.h. länger und dünner zu werden und irgendwann zu reißen. Aus diesem Grund müssen Dyneema-Seile nach Beendigung des Startbetriebs immer noch einmal ausgezogen und zur Aufbewahrung mit wenig Last wieder aufgespult werden. Die Bruchlast von Dyneemaseilen wird mit einem neuen Seil und bei einer kurzzeitigen Belastung gemessen. Sie hat daher für die Dauerfestigkeit im Windenstart wenig Aussagekraft. Weiterhin empfiehlt sich die Nachfrage beim Seilhersteller, ob seine Bruchlastangabe die Schwächung durch einen Spleiß berücksichtigt. Ein Spleiß erreicht maximal 7o-8o% der Bruchlast des Seils, weil die Fasern in ihm ungünstiger verlaufen und stärker belastet werden als in einem unveränderten Seil. Knoten halbieren die Bruchlast und müssen daher unbedingt vermieden werden.

Durchmesser

Der Seildurchmesser ist oft schwer zu messen und dient den Seilherstellern lediglich zur Abstufung ihrer Warenpalette. Die Seile werden meistens mit Durchmessern in Millimeter-Schritten angeboten, was Toleranzen von +/- 0,5 mm erlaubt. Ein 5-mmSeil des einen Herstellers muss daher nicht mit einem 5-mm-Seil eines anderen Herstellers vergleichbar sein. Viel aussagekräftiger und leichter nachprüfbar ist die Gewichtsangabe bezogen auf die Länge. Ein Seil ohne Ummantelung ist in der Regel nur mit einer dünnen Beschichtung versehen, deren Gewicht vernachlässigbar ist. Wie preiswert ein Seil wirklich ist, sieht man deshalb am besten an seinem Preis pro Kilogramm. Bei umflochtenen Seilen kann man zur zerstörungsfreien Beurteilung nur die Bruchlast und die Weichheit des Dyneema-Kerns heranziehen.

Teil 2 – Betrieb

Leistung

Das niedrige Gewicht der Dyneema-Seile verbessert einerseits den Beschleunigungsvorgang, weil weniger Massenträgheit und Reibung am Boden vorhanden sind. Davon profitieren vor allem schwere Segelflugzeuge an zugschwachen Startwinden mit langen Seilen. Gegenüber Stahlseil muss die Winde bei 1200 m Gesamtlänge bis zu 8o kg weniger beschleunigen und ca. 8o daN weniger Reibungskraft aufbringen. Die Startrollstrecke verkürzt sich, was zu einer größeren Ausklinkhöhe beiträgt. Außerdem reduziert das geringere Gewicht des Dyneema-Seils den Seildurchhang. Die Schleppkupplung des Flugzeugs „spürt” die Zugkraft des Vorseils und seinen Angriffswinkel. Ein flacher verlaufendes Seil bewirkt ein steiler steigendes Flugzeug, wenn der Winkel zwischen Rumpf-Längsachse und dem Seil konstant gehalten wird. Auf diese Weise kommt eine größere Ausklinkhöhe zustande. Besonders profitieren demnach Flugzeuge, die mit größerem Seildurchhang geschleppt werden, d.h. mit geringer Seilkraft. Zwangsläufig sind das die besonders leichten Muster, also Einsitzer in Holz- oder Gemischtbauweise. Zum Seildurchhang trägt neben dem Gewicht auch der Luftwiderstand von Seil und Seilfallschirm bei. Je dicker das Schleppseil und je „aufgeblasener” der Seilfallschirm während des Schlepps ist, desto stärker verringert sich die Ausklinkhöhe.

Die Bauart des Seilfallschirms hat mehr Einfluss auf die Ausklinkhöhe als die Entscheidung zwischen Stahl- oder Dyneema Seilen. Optisch erkennt man großen Widerstand am breiten Fallschirm-Querschnitt und am zusätzlichen Seildurchhang.

Im Zusammenhang mit Dyneema-Seilen wurde immer wieder von großen Höhengewinnen berichtet, dabei aber vernachlässigt, dass man meistens gleichzeitig auf kleinere und deutlich aerodynamischere Fallschirme umgerüstet hat. Ein bekanntes rechnerisches Modell zur Vorhersage der Ausklinkhöhe ermittelt den Seildurchhang aus Seilmasse und -dicke sowie den Angriffswinkel am Flugzeugrumpf und benutzt für die Gleitzahl des Flugzeugs einen Näherungswert. Gewisse Abschätzungen gelingen auch über den Energieverzehr durch Masse und Luftwiderstand von Schleppseil, Seilfallschirm und Vorseilen. Diese ergeben für ein leichtes Flugzeug an Stahlseil einen Höhengewinn von 10 % bereits durch die Verwendung eines Fallschirmtyps, der sich im Windenschlepp auch bei geringer Seilkraft kurz, flach und widerstandsarm zusammenlegt. Der Höhengewinn durch die Verwendung leichten Seilmaterials fällt bei den üblichen Schlepplängen vermutlich geringer aus.
1000 m ausgelegtes Stahlseil mit 4,6 mm Durchmesser wiegen etwa 8o kg. Für den Fall, dass das Flugzeug eine Ausklinkhöhe von 500 m erreicht, entspräche die potentielle Energie des Stahlseils in diesem Moment der potentiellen Energie einer Zuladung von 20 kg im Flugzeug, denn die Seilmasse halbiert sich und der Seilschwerpunkt befindet sich auf halber Ausklinkhöhe. Aus diesem Blickwinkel reduziert sich die subjektive Wahrnehmung der Masse einer Haspel Stahlseil von 100 kg drastisch. Die Energie, die dieses Stahlseil auf seinem Weg bis zum Ausklinkpunkt durch seinen Luftwiderstand verzehrt, ist dreimal größer als seine erreichte potenzielle Energie. Dem Seildurchmesser kommt für die Ausklinkhöhe demnach eine viel größere Bedeutung zu als der Seilmasse.
Der Großteil des beobachteten Seildurchhanges wird durch den Luftwiderstand verursacht und nicht durch das Seilgewicht. Ein Dyneema-Seil zeigt nur direkt vor der Winde sowie an der Startposition unmittelbar nach dem Abheben wenig Seildurchhang, weil sein Gewicht niedrig und sein Luftwiderstand in diesen Abschnitten gering ist. Nimmt das Flugzeug seine volle Steigfluglage ein, so vergrößert sich der Durchhang wegen des Luftwiderstands. Das Dyneema-Seil greift dann in nahezu dem gleichen Winkel zur Horizontalen am Flugzeug an wie ein 4,2 mm dickes Stahlseil, das zwar schwerer aber dünner ist.
Man kann den Massenachteil von Stahlseil im Übergangsbogen vermeiden, indem man die Steigfluglage schnell einnimmt und auf diese Weise den gewichtsbedingten Seildurchhang herauszieht. Das setzt voraus, dass die Winde eine gleichmäßige und zügige Beschleunigung sowie einen sicheren Fahrtüberschuss bereitstellt. Piloten, die einen langsamen Übergang in den Steigflug bevorzugen, erreichen mit Stahlseil etwa 40 m weniger Ausklinkhöhe als mit DyneemaSeil. Den optischen Eindruck des DyneemaStarts dieser Piloten kann man mit einem Schlepp bei Gegenwind vergleichen.

Lebensdauer

Im Windenstart haben sich zwei Hauptfaktoren herauskristallisiert, die über die Lebensdauer eines Dyneema-Seils entscheiden. Zum einen ist dies die Reibung auf dem Fluggelände und zu eng profilierten Seilrollen (Profilradius kleiner als 5 mm), zum anderen die Stärke der auftretenden Spitzenlasten.
Generell ist Dyneema auf einem Flugplatz mit bewachsenem Untergrund kaum Reibung ausgesetzt. Es erzeugt wegen seines geringen Gewichts wenig Auflagedruck und gleitet auf dem weichen Bewuchs. Stahlseile tragen dagegen Gras und Mutterboden ab und tauchen sogar in das Erdreich ein, wo sie abgeschmirgelt werden. Solche Stellen findet man vor allem auf Sandböden und Kuppen, auf denen die Seile besonders lange und schnell schleifen, bevor sie abheben. Werden abgetragene Oberflächen vor dem Wechsel zu Dyneema nicht mit Muttererde ausgebessert und neu angesät, leidet auch das leichte Kunstfaserseil und muss auf diesen Abschnitten öfter erneuert werden.

Unbewachsene Flächen können sich in der Sommersonne über 70°C aufheizen

Dyneema „merkt” sich die Überschreitung seiner Arbeitslast. Die Seile der 5-mm-Klasse besitzen Bruchlastangaben zwischen 2300 und 2900 daN, je nach tatsächlichem Gewicht und Grad der thermischen Vorreckung. Damit ergibt sich entsprechend der 20- bis 30-Prozent-Regel eine Arbeitslast von ca. 600-750 daN, d.h. das Seil darf maximal mit der blauen oder roten Sollbruchstelle eingesetzt werden, um eine Überlastung und Dauerschädigung zu vermeiden. Für Winden mit Small-Block-Motor wie dem 5,4 l aus dem Opel Diplomat (230 PS) mit 120 km/h Seilhöchstgeschwindigkeit sind 5-mm-Seile daher ausreichend. Für zugstarke Startwinden (Big Block, Diesel, Elektro) und die braune oder schwarze Sollbruchstelle (85o bzw. 1000 daN) empfehlen sich eher Seile der 6-mm-Klasse. Diese sind jedoch noch einmal deutlich kostspieliger als das ohnehin schon teure ca. 5 mm dicke Dyneema-Material. Durch die verlängerte Seillebensdauer sollte sich der Mehrpreis dennoch bezahlt machen. Zusätzliches Gewicht und vor allem ein deutlich größerer Luftwiderstand verspielen aber den Leistungsvorteil gegenüber Stahlseil, das bereits ab 4,2 mm Durchmesser eingesetzt werden kann.
Für den Segelbootbedarf ist es üblich, die Seile unter Erwärmung stark vorzurecken, um die ungewollte Elastizität zu reduzieren und mit hohen Bruchlasten werben zu können, die für Segelflug-Startwinden in der Praxis wie gesagt sekundär sind. Dieser Reck kommt einer künstlichen Alterung gleich. Dyneema reckt auch im Startbetrieb, und Startwindenseile mit etwas höherer Anfangs-Elastizität stellen kein Problem dar. Deshalb sollte man im Sinne der Lebensdauer auf Seile mit geringer Vorreckung zurückgreifen. Man erkennt sie daran, dass sie weicher und flexibler sind und ihre Oberfläche nicht extrem glatt ist. Diese Eigenschaften haben einen weiteren Vorteil, sie verursachen seltener Seilschlaufen auf der Trommel.
Bei hohen oder niedrigen Außentemperaturen reduziert sich die Arbeitslast von Dyneema. Der Boden ist an manchen Startstellen unbewachsen und heizt sich bei Sonneneinstrahlung schnell über 70 Grad C auf. Das Seil reißt dann oft kurz vor dem Seilfallschirm. Manche Vereine behelfen sich in diesem Abschnitt mit einem Stück Stahlseil oder 8 mm dickem Dyneema-Seil. Kreuzende Wege und Asphaltflächen weisen denselben Nachteil auf. Bei Minusgraden versprödet Dyneema wie die meisten Kunststoffe und reißt, falls das Seil für die entsprechende Winde und Seilkraft ohnehin schon knapp dimensioniert ist.

Tägliche Kontrolle

Bei der Inspektion sind im Gegensatz zu Stahl Seilrisse für Dyneema schwer vorherzusagen. Geschwächte Stellen verhärten sich durch Reck, die damit verbundene Eigenerhitzung und Verschweißen der Fasern. Bei einem weichen Seil kann man sie durch Abtasten und Biegen finden und rechtzeitig beseitigen, bevor sie brechen.
Ein schlecht beschichtetes Seil zerfasert schnell und reißt früher.

Seilriss

Nach einem Seilriss wirkt das Seil verhärtet. Dieser Zustand tritt jedoch bei jeder Zugbelastung ein, weil sich das Geflecht zusammenzieht. Normalerweise fällt dies nicht auf, denn es lockert sich einige Zeit nach dem Entspannen und beim Laufen über die Seiltrommel und die Seilrollen wieder, falls das Seil nicht lange unter Spannung auf der Trommel gelagert wurde.

Spleiße

Spleißanleitungen sind bei den Seilherstellern und im Internet in ausreichender Menge zu finden. Seile ohne Umflechtung kann man mit Hilfe einer passenden Spleißnadel unkompliziert und fast in der gleichen Zeit spleißen, wie man für die Pressklemmenverbindung eines Stahlseils benötigt. Wichtig ist, die Seilenden sorgfältig zu verjüngen, damit die Fasern des darübergezogenen Geflechtschlauches am Übergang nicht zu stark geknickt und überlastet werden. Dazu trennt man die Kardeelen mit Hilfe eines Seitenschneiders, einer Drahtseilschere oder eines Heißschneiders am Seilende in Abständen zueinander einzeln auf und zieht sie aus dem Geflecht heraus. Den Kern eines umflochtenen Seils spleißt man in der gleichen Weise, nachdem die Ummantelung zurückgezogen wurde. Zum Abschluss werden die Mantelenden entweder mit Vulkanisierband fixiert oder ebenfalls verstochen bzw. verspleißt.

Pflege

Zur Auffrischung der Beschichtung ist PU in flüssiger Form erhältlich. Eine besonders dünnflüssige Lösung hat im Gegensatz zu einer klebrigen den Vorteil, dass man sie einfach mit Hilfe eines Lappens auftragen kann, den man auf dem Seil entlang schiebt. Bei neuen Seilen erlaubt die Deckkraft der Beschichtung Rückschlüsse auf ihre Haltbarkeit.
Dyneema-Seile können mit einem kugelgelagerten Entdrallglied behandelt werden, falls sie von rotierenden Fallschirmen verdreht wurden. Während dieser Behandlung darf man jedoch nur geflochtene Vor-und Zwischenseile einsetzen, weil gedrehte Seilkonstruktionen (z.B. Stahlseil) damit unbrauchbar würden.

Erneuerung

Ebenso wie ein Stahlseil sollte man ein Dyneema-Seil erneuern, wenn es mehr als 5 Spleiße besitzt. Nah beieinander liegende Spleiße sollte man vermeiden und durch einen einzigen ersetzen. Reißt das Seil immer im gleichen Abschnitt, so ist dies auf Hitze- oder Reibungseinwirkung auf dem Fluggelände oder in der Winde zurückzuführen. In diesem Fall ist es ausreichend, lediglich den verschlissenen Abschnitt herauszutrennen oder auszutauschen. Reißt ein Seil an beliebigen Stellen, die über seine gesamte Länge verteilt sind, so ist es alters-oder lastbedingt überdehnt und muss komplett erneuert werden.

Fazit

Leichte Flugzeuge, untermotorisierte Winden und überlange Schleppstrecken erzielen den größten Gewinn an Ausklinkhöhe, vorzugsweise mit Seilen ohne Umflechtung. Bei einem moderaten Übergang in die Steigfluglage büßt der Pilot kaum Ausklinkhöhe ein. Zugstarke Winden sollten sinnvoller Weise mit einer Seilkraftbegrenzung auf 75o daN ausgerüstet sein, weil das Dyneema-Seil sonst zu dick und zu teuer gewählt werden muss und keine Leistungsvorteile gegenüber 4,6 mm dickem Stahlseil mehr aufweist.
Die meisten Anwender bewerten nicht den Leistungsgewinn, sondern das einfache Handling von Dyneema als seinen Hauptnutzen, besonders wenn mehr als zwei Seile oder große Längen auf unbefestigtem Untergrund ausgezogen werden müssen. Muss man das Stahlschleppseil an der Startposition manchmal von Hand ausziehen oder die Flugzeuge aufrücken, lösen auf 20 m verlängerte Zwischenseile das Problem jedoch auch.
Dyneema-Seil erreicht nur dort eine größere Lebensdauer, wo Stahlseile wegen schlechter Windenkonstruktionen und widriger Bodenverhältnisse vorzeitig erneuert werden müssen. Unter normalen Bedingungen ist ihre Lebensdauer mit ca. 3000 Starts pro Seil gleich, Dyneema jedoch 3- bis 5-mal teurer. Nicht alle Betreiber, die Dyneema getestet haben, verwenden es deshalb weiter.
Bei beschichteten Seilen wird empfohlen, die Bruchlast- und Durchmesserangaben für die Kaufentscheidung nicht heranzuziehen, sondern die leichtesten Seile zu meiden und weiches Material mit einer gut deckenden Beschichtung zu bevorzugen. Ein Teil der Mehrkosten gegenüber anderen Seilmaterialien refinanziert sich durch etwas längere Flugzeiten und Kraftstoffeinsparungen des Seilrückholers.
Nicht zu unterschätzen sind die Kosten und der Arbeitsaufwand für die Anpassung der Startwinde an Dyneema. Wegen des hohen Neupreises wird gegen Ende der Seillebensdauer örtlich viel Zeit für Reparaturen aufgewendet und mit reduzierter Seilkraft geschleppt.
Preissenkungen sind mittelfristig nicht zu erwarten. Es empfiehlt sich daher, Dyneema Seile erst dann einzusetzen, wenn alle anderen Optimierungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind, wie vor allem die Ausmusterung bremsender Seilschirme. Alternativen bezüglich Leistung, Handling, Kosten, Robustheit oder Lebensdauer bieten 4,2 mm dicke Stahlseile, andere Kunstfaserseile und Windenstartsysteme mit weniger Seiltrommeln.