Pinkeln oder nicht pinkeln?
Flüssigkeitsaufnahme und -abgabe sind im Segelflug immer wieder ein Problem. Denn eine volle Blase kann mehr als eine Unbehaglichkeit darstellen.
Der amerikanische Langstreckenspezialist Weltrekordpilot und WM-Teilnehmer Karl Striedieck hat mit seiner Frau Iris Lösungen erarbeitet.
Die meisten von uns können von Flügen erzählen, deren denkwürdigste Momente darauf zurückgehen, dass zuwenig Flüssigkeit aufgenommen wurde oder es umgekehrt ein Problem war, aufgenommene Flüssigkeit wieder loszuwerden, dass die Blase kurz vor dem Platzen stand. Nimmt man dazu noch die Geschichten leckender Pinkeltüten, gefluteter Cockpits, Tüten, die sich um die Flügelnase gelegt haben, dann wird klar, dass hier in einer Sache ein Informationsdefizit besteht. Die Geschichten sind jedenfalls mehr als bloß ein Anlass zum Schmunzeln.
Es ist der Abschluss des siebten Tages der US-Rennklasse-Meisterschaft ’77 in Hobbs, New Mexico. Billy Hill schießt nach fünfeinhalb Stunden als Sieger mit seiner Zuni tief und schnell über die Ziellinie. Weitere Ziellander fallen ein. Dann über Funk die Meldung, dass “7N” es nicht mehr schafft, er muss rund 2 km vor dem Platz außenlanden. Vielleicht war es Müdigkeit – Dehydration kann auch eine Rolle gespielt haben – jedenfalls landet die PIK auf dem Bauch. Der Pilot wird verletzt. Zunächst sieht das alles nach einem wenig spektakulären Unfall aus, das kehrt sich aber sehr schnell um. Die Ärzte stellen eine geplatzte Blase fest.
Hier werden deshalb zwei Systeme vorgestellt, die es Männern wie Frauen erleichtern, natürlichem Druck nachzugeben. Letztlich muss gefährlicher Dehydration durch zu geringes Trinken sowie der Unbehaglichkeit starken Drucks bis hin zur Gefahr einer geplatzten Blase entgegengewirkt werden.
Mit der Zeit wurden Lösungen, sich Erleichterung zu verschaffen, entwickelt – von abzuwerfenden Tüten hin zu Rohrsystemen, die außerbords entleeren. Der einfache Gebrauch, das geringe Risiko von Lecks und Planschereien sowie vor allem die geringe zusätzliche Aufmerksamkeit und damit Ablenkung, die letzteres während des Fluges mit sich bringt, macht den Außenkatheder, der über eine Schlauchleitung den Weg durch den Fahrwerksraum ins Freie schafft, zur besten Lösungen für Piloten.
Als Abflussleitung ist ein rund 6 mm dicker Polyethylenschlauch zu empfehlen. Von der Steifigkeit her ist das fast schon ein Rohr, das sicher ist und sich auch noch verbiegen lässt. Der Schlauch kann unter der Sitzschale bis in den Fahrwerksschacht ans Ende der Fahrwerksklappen verlegt werden. Er macht noch die Bewegungen beim Aus-/Einfahren des Rads mit, ist aber andererseits noch so fest, dass er unter der Sitzschale nicht gequetscht wird, was einen Stau verursachen könnte.
Etwas einfacher wäre es, die Leitung gleich unter der Sitzschale aus dem Rumpfbauch ins Freie zu führen. Nachteil dieser Lösung ist eine größere Korrosionsgefahr, da Fahrwerksteile und Seitenruderaufhängung stärker benetzt werden. Es empfiehlt sich deshalb, etwas Mühe aufzuwenden und das Leitungssystem bis zum hinteren Ende einer Fahrwerksklappe zu führen, so dass austretendes Wasser bei ausgefahrenem Rad den Rumpf nicht mehr benetzen kann. Tests mit gefärbtem Wasser haben gezeigt, dass das System gut funktioniert.
Ein wichtiger Baustein in dem System ist ein T-Stück zwischen Urinal und Abflussrohr, das einen Zugang zum Ausblasen des Systems ermöglicht. Über diesen zusätzlichen Anschluss, der normalerweise abgeklemmt wird, kann nach dem Gebrauch durch Ausblasen ein Zufrieren beziehungsweise Verschmutzen des Hängers vermieden werden.
Die Katheder gibt es im Handel für medizinische Hilfsmittel. Sie ähneln einem Kondom, das mit einer Abflussleitung versehen ist. Diese kann mit dem Bordsystem verbunden werden. Sie werden vor dem Flug angelegt und nach dem Einsteigen ans Bordsystem angekoppelt. Mit einem Klebeband kann eine auch unter Druck dichte Verbindung hergestellt werden.
Für Frauen ergeben sich natürlich andere Fragestellungen. Hier wurden gute Erfahrungen mit Spezialbinden gemacht. Sie sind in jedem Fall den Alternativen vorzuziehen, schon länger vor einem Flug nichts mehr zu trinken (Dehydration), Flüge abzubrechen oder die Unbehaglichkeiten und die Gefahren einer zum Platzen vollen Blase zu ertragen. Binden haben sogar einen Vorteil, für sie braucht das Flugzeug nicht modifiziert zu werden.
Es gibt sehr aufnahmefähige Binden (“Serentity feminine bladder control pads” von Johnson and Johnson). Ihr Geheimnis der “Abdichtung” liegt in der Verwendung von Quellstoffen, die Flüssigkeit sehr schnell aufsaugen und “gelieren” lassen. Die körperabgewandte Seite dieser Binde ist mit einer wasserdichten Folie bezogen.
In der Praxis ergibt sich speziell für Erstnutzerinnen schon eine Ablenkung bei der Handhabung. Ein Pulk ist also kein guter Ort, um die Binden zum erstenmal auszuprobieren. Die Gurte müssen gelockert werden, und auch die Kleidung muss einen leichten Zugang ermöglichen. Die Binden dürfen bei der Nutzung jedenfalls nicht gequetscht werden, da sie sonst in ihrer Aufnahmefähigkeit eingeschränkt sind. Es ist deshalb gut, die ganze Sache überhaupt erst einmal am Boden auszutesten und sich zu überlegen, wo die gebrauchten Binden entsorgt werden können.
Obwohl die Binden eine ganze Blasenfüllung aufnehmen können, ist es wenig sinnvoll, sie bei geringfügigem Gebrauch mehrfach zu nutzen.
Für Pilotinnen gibt es neben diesen speziellen Binden eine alternative Technik, sich Entlastung zu verschaffen. Schon im aerokurier 3/1994 wurde das von Roland Schmitt (Diepeschrather Straße 6a, 51069 Köln) für seine Frau entwickelte spezielle Damenurinal mit elektrischer Absaugpumpe vorgestellt. Das System besteht aus einer körperangepassten Urinalmaske, einem PVC-Auffangbehälter und einer 12-V-Vakuumpumpe, die ans Bordnetz angeschlossen wird.
Karl und Iris Striedieck