DG-808B – Neue Harmonielehre

ein Bericht im Aerokurier von Gerhard Marzinzik

Es wird immer schwerer, bei vorgegebener Spannweite die Leistung von Segelflugzeugen zu steigern.
Entwicklungspotenzial bietet das Handling.
Das hat DG-Flugzeugbau jetzt bei der DG-800B aufpoliert.

Seit 1996 bildet die DG-800B als eigenstartfähiger Motorsegler der 18-m-Klasse den Schwerpunkt der Fertigung bei DG-Flugzeugbau in Bruchsal. In dieser Version mit dem 54 PS starken SOLO 2625 hat die 800, deren Vorläufer schon 1993 erschien, inzwischen mehr als 300 Liebhaber gefunden. Jetzt wurde sie aufgefrischt und fliegt unter der Bezeichnung DG-808B.
Die Modellpflege des Erfolgsmusters steckt im Detail. Mit bloßem Auge sind die Neuerungen kaum auszumachen. Dafür sind sie im Handling am Boden und im Flug umso deutlicher bemerkbar. Die Maßnahmen zielten vor allem auf ein besseres Handling.
Mit einer maßvollen Modifikation im Leitwerksbereich hat Chefkonstrukteur Dipl. Ing. Wilhelm Dirks eine harmonischere Abstimmung von Quer- und Seitenruder und damit eine Verbesserung des Kurbelverhaltens gesucht.
Die Veränderung des Seitenleitwerks steht ganz im Zeichen des zurzeit auch von anderen Herstellern verfolgten Trends zu größeren Leitwerken: Die Seitenflosse erhielt mehr Tiefe. Insgesamt ergibt sich dadurch eine gesteigerte Seitenruderwirksamkeit. Gleichzeitig lässt es sich dank einer neuen Lagerung des gekoppelten Heckrads leichter betätigen.
Ohne Tricks mit dem Faden in der Mitte
Die Verfeinerungen werden im Flug sofort spürbar. Bei der DG-800B war noch deutlich mehr Seitenruder als Querruder beim Einleiten von Kurven beziehungsweise bei Korrekturen erforderlich, was die zeitliche Betätigung betrifft. Jedenfalls musste bei der DG-800B nach dem Einleiten einer Richtungsänderung das Querruder um einiges schneller zurückgenommen werden, sollte der Faden in der Mitte bleiben.
Jetzt kurvt die DG-808B dagegen sauber ein, wenn die Ruder gleichmäßig betätigt werden – dazu ist das Seitenruder leichtgängiger.
Ein Plus von drei Zentimetern Leitwerkslänge, eine im Grunde minimale Änderung also, hat sich damit als sehr wirkungsvoll für die Verfeinerung der Flugeigenschaften erwiesen. Die Flugleistungen dürfte die geringfügig gewachsene Rumpflänge dagegen kaum beeinträchtigen.

Mit den Winglets fliegt die DG-808B im Übrigen wie auf Schienen. Der sonnige Oktobertag, an dem ich die 808 fliegen konnte, war zwar sehr stabil und hat den Eindruck sicherlich unterstützt, aber auch selbst herbeigeführte Störungen nahm die 808 nicht übel. Sie zog im Geradeaus- und Kurvenflug stur ihre Bahn, wobei die Ruder losgelassen werden konnten.
Die Wendigkeit hat unter dieser Auslegung nicht gelitten. Kurvenwechsel von 45 Grad zu 45 Grad Hängewinkel sind bei 90 km/h und positiver Klappenstellung unter drei Sekunden vollzogen.
Negative Einflüsse der Winglets habe ich nicht festgestellt. So lässt sich die DG-808B nach rechts wie nach links slippen. Mit den großen doppelstöckigen Bremsklappen, die bei positiven Wölbklappenstellungen und ausgefahrenem Rad für Sinkraten bis zu 5 m/s sorgen, dürfte allerdings der Seitengleitflug als zusätzliche Landehilfe so gut wie nie benötigt werden.
Eine Reihe kleiner Änderungen hat es im Cockpit gegeben. Der Not-Doppelschalter ist von der Seitenkonsole als Einfachschalter ins Instrumentenbrett unter die vollelektronische Antriebssteuerung gerückt. Die Betätigung des Fahrwerkshebels erfolgt jetzt federunterstützt und geht leichter von der Hand.
Die elektronische Steuerung DEI des Antriebs ist inzwischen ein Klassiker. Sie macht die Motorbedienung unvergleichlich einfach. Mit dem Zündschalter auf “Ein” fährt der Propeller aus und gibt die Zündung frei, sobald die Endstellung erreicht ist. Dann kann mit dem Startknopf im Gasgriff der Motor gestartet werden, ein möglicherweise notwendiges Primen erfolgt automatisch.
Genauso einfach verschwindet der Propellerturm auch wieder im Rumpf. Bei Leerlauf und Zündung auf “Aus” dreht der Propeller aus. Wird dabei nicht gleich die senkrechte Stellung erreicht, kann der Prop mit dem Startknopf (eine Zündung erfolgt jetzt nicht mehr) in die senkrechte Stellung gedreht werden. Dort wird die Luftschraube automatisch von der Bremse festgehalten. Das Einfahren des Propellerturms und Schließen der Motorraumdeckel geschieht ohne weiteres Zutun. Beide Vorgänge beanspruchen jeweils weniger als 20 Sekunden.
Mit den 54 SOLO-PS ist die DG-808B leistungsmäßig üppig ausgestattet. Auf dem kurzen Bruchsaler Platz (500 m Graspiste) ist der Motorsegler an der Mittelmarkierung schon einige Meter in der Luft.
In der ersten Beschleunigungsphase braucht man sich auch keine Zurückhaltung beim Gas geben aufzuerlegen, eine Tendenz zum Auf-den-Kopf-Gehen gibt es auch bei direktem Vollgasgeben nicht. Die gute Querruderwirkung auch bei positiver Klappenstellung hilft beim Start. So braucht nicht mit negativer Klappenstellung angerollt zu werden – Umwölben entfällt.

 

Bei rund 90 km/h steigt die DG-808B am besten. Von den angezeigten 3,7 m/s Steigen bleiben in 1000 in immer noch rund 3,4 m/s. Da die Geschwindigkeit im Steigflug deutlich über der Überziehgeschwindigkeit liegt zeigt sich die 808 auch beim simulierten Triebwerksausfall sehr gutmütig. Der Fahrtrückgang beim Stopp des Motors hält sich in Grenzen. Es bleibt damit viel Zeit zu
reagieren.
Mit einem Lärmwert von 61,8 dB(A) nach Kap. VI (57,1 dB(A) nach Kap. 10) erfüllt die DG-808B die erhöhten Lärmgrenzwerte und ist damit auch für die Zukunft gut gerüstet.
Im Segelflug steckt die 808 die hohe Belastung durch den Antrieb leicht weg. Dank ihrer großen Flügelfläche ergibt sich für schwache Wetterlagen eine minimale Flächenbelastung von rund 34,5 kg/m2. Das liegt in einem Bereich, in dem sonst reine Segelflugzeuge agieren. Der DG-800 hat das längst den Ruf eines guten Kletterers eingetragen. Aber auch bei den Gleitleistungen braucht sich die 808 nicht zu verstecken. Die beste Gleitzahl gibt DG-Flugzeugbau bei 110 km/h mit besser als 50 an.