Die DG-1000 brummt
ein Bericht im Aerokurier 8/2005 von Gerhard Marzinzik
Schon ein kleiner Motor kann das Einsatzspektrum eines Segelflugzeugs erheblich erweitern. Diesen Vorzug genießt jetzt auch die DG-1000T. Ihr besonderer Vorteil: Der Turbo startet auf Knopfdruck.
Das zweisitzige Flaggschiff von DG Flugzeugbau, der 20-m-Doppelsitzer DG- 1000, ist konsequent auf ein breites Einsatzspektrum ausgelegt. Im Wettbewerbseinsatz fliegt er mit dafür optimierter 20-Meter-Spannweite und Winglets. Für die Schulung, für die dieses Leistungsmaximum gar nicht gefragt ist, gibt es eine Flügelteilung, die Schülern wie Lehrern ein handliches 18m-Flugzeug zur Verfügung stellt. Dank üppig dimensionierter Bremsklappen geht’s im Landeanflug steil runter, ganz so, wie das moderne Einsitzer ermöglichen.
Das große, weit aus dem Rumpf ausfahrende, gefederte Hauptrad schafft in beiden Spannweitenvarianten sehr viel Bodenfreiheit für den Flügel, was sich insbesondere bei Außenlandungen auszahlt, und es schluckt auch gröbere Unebenheiten im Landefeld. In der “T”-Version dürften jetzt allerdings Außenlandungen nur noch höchst selten vorkommen.
Anders als übliche Flautenschiebermotorisierungen kommt die DG-1000T mit einem elektrischen Anlasser. Das sonst übliche, aber kaum für Anfänger oder Gelegenheitspiloten gerechte Anlassverfahren – Triebwerk ausfahren, anstürzen und bei hoher Fahrt den Motor mit geöffneten Dekompressionsventilen im Windmühleneffekt auf Touren bringen, damit er selbständig anläuft, dann die Fahrt wieder rausziehen, um anschließend normal zu steigen – wird dem 1000T-Piloten keine Schweißperlen auf die Stirn treiben.
In DG-Philosophie wurde bei der 1000T vom Ausfahren über das Anlassen bis zum Abstellen und Einfahren des Motors fast alles automatisiert. Nach dem Start im F-Schlepp von der Graspiste in Bruchsal bleibt die DG aber erst einmal ein Segelflugzeug. Sommerliche Blauthermik lädt zum Kurbeln ein – Gelegenheit für die 1000T, ihr Klettertalent zu beweisen.
Eines fällt sofort auf. Die im Motorkasten und Tank versteckten 55 Zusatzkilo sind ihr nicht anzumerken. Mit Steuerausschlägen, ganz so, wie man sie von einem harmonisch abgestimmten Flugzeug erwartet, lässt sie sich präzise ins Steigzentrum einfädeln. Unbeeindruckt von kleineren Störungen dreht dann die Nase stoisch am Horizont entlang. Auf der anderen Seite wird auch ein Bart mit verzerrtem Aufwindprofil für die 1000T nicht zur Hürde, an der man sich abquälen muss oder der man lieber ausweicht, wenn’s nur irgendwie geht. Korrekturen folgt die DG präzise; das Nachzentrieren geht ohne viel Übung leicht von der Hand. Beim Piloten stellt sich schnell das Gefühl ein, auch diese Thermik mit der DG sicher im Griff zu haben.
In der Frage, wie langsam kann ich kurbeln, um mich möglichst am optimalen Polarenpunkt mit dem geringsten Sinken aufzuhalten, ohne zu überziehen, liefert die DG-1000T mit der neuen, optional erhältlichen Überziehwarnung eine klare Angabe. Die im DEI (Digital Engine Instrument) integrierte Überziehwarnung basiert auf einer Art Anstellwinkelmessung. Sie funktioniert damit für unterschiedliche Fluggewichte und Beschleunigungen. Sehr schön lässt sich das sehen, wenn im dynamischen Auf und Ab der Alarm bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten auslöst.
In einem von Vario, Zentrierhilfe, Funk und FLARM sowie eventuell weiteren akustischen Ausgaben reizüberfluteten Cockpit setzt sich der Vibrationsalarm im Steuerknüppel unverwechselbar ab. Bei der für den 1000T-Prototypen gewählten Einstellung kommt der Gefahrenhinweis ausreichend früh. Ansonsten ist der überzogene Flugzustand im Geradeaus- wie Kurvenflug durch den hoch aufragenden Bug und leichtes Schütteln nicht zu übersehen. Auf weiteren Fahrtverlust reagiert die 1000T dann mit Wegdrehen, im Kurvenflug über die hohe Fläche, und Wegtauchen. Durch Nachlassen im Höhenruder und mit Gegenseitenruder ist sie schnell und mit geringem Höhenverlust wieder eingefangen.
Ebenso einfach und unkompliziert erweist sich die Handhabung des Antriebssystems der neuen Turboversion. Wird der Zündschalter im DEI auf “Ein” gestellt, klappt der 30 PS starke, luftgekühlte Solo 2350C über einen elektrischen Spindeltrieb aus. Die Fahrt sollte bei 90 km/h liegen, um nicht zu viel Luftwiderstand zu erzeugen.
Das DEI informiert währenddessen grafisch über den Fortgang. Hat der Motor-/Propellertum die Endstellung erreicht, wird der Startknopf im Gasgriff frei geschaltet. Wurde er schon während des Ausfahrens gedrückt, tritt der Anlasser ohne Verzögerung in Aktion. Das DEI steuert derweil den Primer, abhängig von der Zylinderkopftemperatur. Ich probe den Vorgang gleich mehrfach. Zuverlässig springt der Solo an und ist auch gleich leistungsbereit.
Das Handbuch weist der DG in ruhiger Luft und Meereshöhe ein mittleres Steigen von 1,3 m/s zu. In der thermisch aktiven Luft des Junitages ist es schwierig, das mal schnell zu verifizieren. Die geringe, für einen Flautenschieber aber durchaus angemessene Leistung, geht beim Durchflug entsprechend stark absinkender Luftmassen natürlich unter.
Die Erfahrung untermauert einmal mehr, dass Turbos sich wenig eignen, um in geringer Höhe eine Außenlandung zu vermeiden. Bei einem Turbo muss der Rettungsanker früher geworfen werden. Das gilt auch für die DG-1000T, bei der die Inbetriebnahme des Motors – im Gegensatz zum Anstürzverfahren – nur wenige Höhenmeter kostet.
Das Vibrationsniveau bei Volllast ist erfreulich gering. Auch die Lärmentwicklung hält sich in Grenzen, ein Headset ist aber angenehm. Über die Motordaten und den Treibstoffverbrauch informiert zuverlässig das DEL
Der Übergang in die Segelflugkonfiguration kann ebenfalls mit links vollzogen werden. Nach dem Ausschalten der Zündung aus dem Leerlauf klappt der Motorturm ein
Stück zurück und der Propeller dreht aus. Bei Stillstand rückt der Propellerstopper automatisch vor. Ein kurzer Druck auf den Anlasser (die Zündung ist in diesem Fall wieder blockiert) dreht die Luftschraube dann in die senkrechte Stellung vor den Stopper, woraufhin Motor und Propeller im Rumpf verschwinden. Über den jeweiligen Betriebszustand informiert die DEI-Grafik beziehungsweise der Blick in den kleinen Rückspiegel.
Sollte die Automatik einmal ausfallen, kann auch auf manuellen Betrieb umgestellt werden, damit mindestens Propeller und Motor aus ihrer prominenten Stellung im Luftstrom herausgenommen werden können. Der Zusatzwiderstand des heraus geklappten, aber noch nicht laufenden Triebwerks führt nur zu geringfügig erhöhten Sinkwerten. Auch führt ein Stehenbleiben des Props bei der optimalen Steiggeschwindigkeit von rund 90 km/h nicht zu übermäßig schnellem Fahrtverlust und damit kritischen Situationen, es bleibt ausreichend Zeit zu reagieren.
Im Sägezahnstil kommt die DG-1000T über 370 km weit.
Der Rumpftank im Gepäckraum fasst 22,5 1 Gemisch (1:50) für den Zweitakter, von denen 22L ausfliegbar sind. Befüllt wird er über eine Schnellkupplung im Motorkasten mit der internen Pumpe. Im Dauerbetrieb lässt sich mit dem Tankvorrat eine Reichweite von 230 km erzielen, im Sägezahnflug eine von rund 370 km. Das dürfte auch für größere Flauten ausreichen, so dass Flächentanks allein dem Wasserballast vorbehalten bleiben können.
Um Schwerpunktverschiebungen durch Wasserballast und unterschiedliche Cockpitbeladungen auszugleichen, bietet die DG-1000 einen Tank und ein Gewichte-Fach im Seitenleitwerk, so dass sie immer für ein optimales Handling getrimmt werden kann.
Mit der realisierten Motorisierung ist es DG-Chefentwickler Wilhelm Dirks gelungen, der DG-1000 die Vereinstauglichkeit zu erhalten. Die Bedienung des Triebwerks erfordert minimale Aufmerksamkeit, besondere Übung ist nicht notwendig. Ungewöhnliche Flugzustände sind weder bei der Inbetriebnahme erforderlich noch ergeben sie sich bei Systemausfällen.
Der elektrischer Anlasser eröffnet noch einen weiteren Vorteil: Da sich mit ihm der Motor schon am Boden in Betrieb nehmen lässt, kann er im F-Schlepp mit langsameren Motorseglern als Unterstützung eingesetzt werden. Die Steiggeschwindigkeiten beider Motorsegler passen (im Gegensatz zum Flugzeugschlepp) gut zusammen. Entsprechende Versuche in Bruchsal haben schnell die Remorqueur übertroffen. Es wurden kürzere Startrollstrecken realisiert und am Ende der Piste eine größere Höhe erreicht.
Rund 26 000 Euro sind für den Turbo auf den Grundpreis der DG-1000 (73 400 Euro) draufzulegen. Eine Investition, die sich lohnt. Das Einsatzspektrum des Doppelsitzers erhöht sich enorm. Mit Turbo kann auch mal an einem Wochentag oder an Sonntagen, an denen sich keine Rückholer finden lassen, über Land geflogen werden.
Der Flugspaß nimmt zu.
Es fliegt sich erheblich unbeschwerter.
– Gerhard Marzinzik –