Wolf Lemke gehört mit der Entwicklung der LS Flugzeuge zu den prägendsten, einflussreichsten und erfolgreichsten Konstrukteuren im Segelflug. Ganz besonders zeigt sich das in dem nach wie vor hochaktuellen Standardklasse Flugzeug LS8, dessen aerodynamische Auslegung bereits in den achtziger Jahren von Wolf Lemke vollzogen wurde.

Für mich war es immer ein Vergnügen mit Wolf Lemke zusammenarbeiten zu können. Auch in den letzten Jahren gab es immer wieder Kontakt, da er stets bei Fragen zu den LS Flugzeugen helfen konnte.

Der vom Magazin Luftsport freundlicher Weise überlassene und von Günter Schapka, Gerhard Waibel, Micro Scholz und Wolfgang Binz verfasste Nachruf zeigt die ganze Schaffenskraft von Wolf Lemke.

Holger Back

DG Flugzeugbau GmbH

 

 

Nachruf Wolf Lemke

Wolf Lemke zusammen mit Walter Schneider beim Erstflug der LS10

Am 01.12.2018 ist Wolf Lemke im Alter von 80 Jahren für immer von uns gegangen. Mit ihm verliert der Segelflug einen der bedeutendsten Konstrukteure von Segelflugzeugen. Er selbst hätte diese Einordnung seiner Lebensleistung sicher weit von sich gewiesen, aber es gibt in der Geschichte des Segelfluges kaum jemanden, der so vielseitig und erfolgreich war. Er hat Spitzenleistungen seiner Flugzeuge erreicht, dies schon ganz früh mit harmlosen und überaus harmonischen Flugeigenschaften kombiniert und dann auch noch die Profile für diese Flugzeuge selbst entwickelt. Das hat ihm stets höchste Anerkennung unter seinen Kollegen eingebracht.

Schon die Leistungen seiner Flugzeuge sind beeindruckend, gleich von Anfang an. Das begann bereits mit seiner Mitwirkung an der D-36 der Akaflieg Darmstadt, für die er den Flügel entwickelte. Schon damals, noch als Student, hat er für die D-36 gleich noch ein eigenes Profil entworfen, von dem Prof. Wortmann feststellte, dass es genauso gut war wie dessen neueste Profile.

Bei der Akaflieg Darmstadt erhielt er wie so viele Mitglieder einen Spitznamen. Wolf wurde Lämmchen genannt, was auf seine ruhige, geduldige Grundhaltung anspielte. Wolf war ein Mensch der großen, stillen Gesten: Obwohl er mit der D-36 auf der Deutschen Meisterschaft hätte antreten dürfen, überließ er dies seinem Freund Gerhard Waibel. Der wurde mit dem weit überlegenen Flugzeug Deutscher Meister 1964.

Eigentlich war es danach nur eine glückliche Fügung der Geschichte, dass Wolf nach dem Studium mit Walter Schneider begann, den Segelflugzeugbau bei Rolladen-Schneider aufzubauen. Von langer Hand geplant war das nämlich nicht gewesen. Er hatte auch ein Angebot von Prof. Wortmann zur Mitarbeit an der Uni in Stuttgart und er hätte beinahe einen geplanten Serienbau der SB-7 betreut. Schon das erste Projekt bei Rolladen-Schneider hatte bahnbrechende Erfolge. Durch die Kombination des ehrgeizigen Walter Schneider, der immer das neueste Flugzeug haben wollte, mit Wolf Lemkes Ingenieurshintergrund  entstand die LS1, deren ersten beiden Exemplare sich gleich beim ersten Wettbewerbseinsatz 1968 auf den beiden vorderen Plätzen der Deutschen Meisterschaft platzierten. Und im Jahr 1970 war auf der Weltmeisterschaft der Titelgewinn mit der LS1 durch Helmut Reichmann möglich.

Als sein privates Projekt entstand mit der LSD Ornith unter Verwendung von vielen Teilen der LS1 im Jahr 1971 der allererste Doppelsitzer in GfK-Bauweise, mit dem alsbald viele Weltrekorde geflogen wurden. Ein weiteres Versuchsflugzeug von Wolf Lemke war die LS2, mit der 1974 wiederum der Titelgewinn auf der Weltmeisterschaft möglich wurde. Aber die LS2 hatte nicht die angestrebten harmlosen Flugeigenschaften und wurde deshalb konsequenter weise nicht in Serie gebaut. Stattdessen führte Wolf mit der LS1-f der Fachwelt vor, dass absolute Spitzenleistungen sehr wohl mit harmlosen Flugeigenschaften und einer harmonischen Ruderabstimmung kombiniert werden können. Diese Kombination wurde zum Markenzeichen von LS und ließ eine treue Fangemeinde entstehen.

Hier: Wolf Lemke in der LS5 im Jahr 2014     Foto: Jutta Scholz

Und das setzte sich mit der LS4 noch weiter fort. Dieses Flugzeug überwand den jahrelangen weitgehenden Stillstand in der Standardklasse und war ein riesiger Sprung, sowohl in den Leistungen als auch in den perfekten Flugeigenschaften. Die Wettbewerbserfolge waren überwältigend, so musste man auf den Weltmeisterschaften 1981 und 1983 eine LS4 fliegen, um vorne mit dabei zu sein. Den Titel machten LS4 Piloten unter sich aus. Und diese herausragenden Leistungen hatte Wolf Lemke mit einer eigenen Profilentwicklung erreicht. Nach den Erfahrungen mit der LS3 Standard von Hanko Streifeneder entwickelte Wolf daraus die LS4, auch indem er das Profil noch modifizierte. Und die LS4 sollte zum erfolgreichsten Wettbewerbssegelflugzeug werden. Insgesamt 1054 Exemplare sind in mehr als 23 Jahren gebaut worden.

Das Meisterstück, das Wolf Lemke mit der LS4 gelungen war, wiederholte er mit der LS6. Wieder hat Wolf das Profil selbst entwickelt auf der Grundlage von Profilentwürfen von Prof. Wortmann. Und auch die LS6 war überaus erfolgreich, so mit dem Weltmeistertitel 1985 für Doug Jacobs. Das setzte sich 1987 mit den ersten drei Plätzen für LS6 Piloten fort. Und 1991 wurden auf der Weltmeisterschaft die ersten vier Plätze von LS6 Piloten belegt.

Dieses Wölbklappenprofil der LS6 sollte dann noch Jahre später in der LS8 für die Standardklasse für Furore sorgen, weil es sich auch als Starrprofil als überlegen erwies. Seit 1993 ist die LS8 in der Standardklasse erfolgreich und das noch bis heute, 25 Jahre nach dem Erstflug.

Neben dem Streben nach bestmöglicher Flugleistung und unkomplizierten Flugeigenschaften hatte sich Wolf immer für mehr Sicherheit für den Piloten eingesetzt. Eine Fahrtmesseranzeige, die deutlich vor dem Überziehen warnt, einfaches und sicheres Ausleiten des Trudelns, Fahrwerke mit großer Energieaufnahme oder sicherer Haubennotabwurf – das alles hat ihn interessiert und wenn es galt, das auszuprobieren, so war er selbst ganz vorne mit dabei. So testete er die Eigenschaften bei einer Notlandung auf dem Wasser, indem er eine LS1-f im Baggersee neben dem Flugplatz landete.

Wolf Lemke im Ruhestand immer noch viel beschäftigt .   Foto: Familie Lemke

Und Wolf Lemke hatte noch große Pläne für die Segelflieger. Er, der ja mit der LSD Ornith seine Begeisterung für das doppelsitzige Fliegen gezeigt hatte, wollte aus der LS4 einen Doppelsitzer mit vergleichbaren Eigenschaften und Leistungen entwickeln. Das Konzept war Ende der 80er-Jahre fertig, die Tragfläche der LS4 sollte geometrisch auf 18 m vergrößert werden, wobei dann auch die Flügeltiefe angewachsen wäre. Etwa 1991 wurde ein Rumpf Mock-Up gebaut, aber Wolf und viele andere Befürworter dieses Projektes bei LS konnten sich nicht damit durchsetzen. Viel später unterstützte Wolf Lemke dann die Akaflieg Köln maßgeblich bei deren Doppelsitzer, der dann auch LS11 genannt wurde.

Ende 2001 ging Wolf Lemke nach mehr als 36 Jahren bei Rolladen-Schneider in den Ruhestand. Damit begann für ihn ein neuer Lebensabschnitt, bei dem nicht mehr allein Segelflugzeuge ganz im Vordergrund standen, sondern er hatte endlich mehr Zeit für seine Familie. Er war viel unterwegs und suchte das Erlebnis der Natur am Meer. Das alles erfüllte ihn mit großer Zufriedenheit.

In dieser Zeit unterstützte er weiterhin die Entwicklungs- und Zulassungsaktivitäten der verschiedenen Segelflugzeugprojekte seiner Umgebung, wie die der Akafliegs Darmstadt und Köln, und er betrieb die Zulassung des Einzelstücks LS5, seines Traums vom Offene Klasse Superflugzeug, in dessen Cockpit er hier 2014 zu sehen ist.

Wolf Lemke war ein feiner Freund und Mensch. Auf den ersten Anschein schien er zurückhaltend zu sein. Wenn man ihn aber im Gespräch erlebte, dann sprühte er von einem unglaublichen Humor und Aufgeschlossenheit. Er brachte die Dinge, die er ausdrücken wollte, ganz präzise auf den Punkt und konnte Menschen mit seinem Wesen tief beeindrucken. Das wird uns fehlen, lieber Wolf, aber gerade deshalb wirst Du nie vergessen werden.

 

Günter Schapka                              Werner „micro“ Scholz                Gerhard Waibel                 Wolfgang Binz

 

 

Mit freundlicher Genehmigung des Magazin LuftSport / Eqip Verlag, Bonn