DG-808C – Thermikrennen

ein Bericht  von Gerhard Marzinzik im Aerokurier 11/2005

Die DG-808S hat’s vorgemacht, jetzt zieht der Eigenstarter nach. Für gute Bedingungen gibt nun die Möglichkeit mit einer 50er Flächenbelastung zu fliegen.

Der Motorsegler startet jetzt unter dem neuen Namen DG-808C Competition. Eine völlige Überarbeitung im Bereich der Elektrik haben ihm zusammen mit der Auflastung die neue Bezeichnung eingetragen. Trägt der Eigenstarter den neuen Namen zu Recht?

Mit 18m Spannweite kann die DG jetzt mit maximal 600 kg (50,8 kg/m2) abheben. Für diese hohe Flugmasse wurde der Außenflügel verstärkt. Strukturell ist er identisch mit dem der DG-808S. Im Gegensatz zur S-Version mit vierteiligem Tank, kommt die C Competition aber mit zwei je 75 Liter fassenden Wassersäcken aus. Im Vergleich zum B-Modell sind sie weiter in den Außenflügel gerückt.

Die Auflastung hat dem Motorsegler auch erstmals die Ausstattung mit einem Seitenflossentank (7,5 Ltr) beschert. Damit lassen sich Schwerpunktverschiebungen und Handlingsnachteile durch Ballast korrigieren.

Geräumiges, aufgeräumtes Cockpit trotz Verstärkungen für den Crashfall und der Notausstiegshilfe NOAH in der Sitzschale

Das Fahrwerk wurde verstärkt. Der Federweg ist um ein Drittel gewachsen. Das mit Längsstringern verstärkte Sicherheitscockpit gehört jetzt zur Standardausrüstung. Bei der C Competition zählen inzwischen auch die Mückenputzer-Garagen im Flügel-Rumpf-Übergang zur Serienausstattung.

Gänzlich neu bei der C-Version ist die Elektrik. Im I-Pilz steckt das digitale Triebwerksteuerungs- und Überwachungsinstrument neuer Technologie (DEI-NT) inklusive der neuen Überziehwarnung. Das Steuergerät automatisiert Inbetriebnahme und Stilllegung des Triebwerks fast vollständig, lässt dem Piloten im Fall von möglichen Fehlfunktionen aber durchaus die Freiheit einzugreifen. Die jetzt integrierte Grafik informiert exakt über alle Betriebszustände.

Die Aufpreisliste enthält darüber hinaus neue Winglets für die 15-m-Spannweitenversion und eine ergonomisch optimierte Pedalverstellung, die den Komfort für kleine Piloten erheblich verbessert – sie brauchen den I-Pilz nicht mehr O-förmig zu umschlingen.

Die DG-808C Competition, die für diesen Pilot Report zur Verfügung stand, war mit der gleichfalls optional erhältlichen BBSA-Rutschkupplung ausgestattet. Diese Kupplung mildert die Belastungsspitzen, die der Antriebsriemen beim Anlassen am Boden ausgesetzt ist. In bislang sehr seltenen Fällen – jedenfalls im DG-System, so Chefkonstrukteur Wilhelm Dirks – haben diese Spitzenbelastungen zur Zerstörung des Riemens geführt. Beim Anlassen im Flug treten diese hohen Belastungen nicht auf, da der Propeller dann schon vom Fahrtwind in Bewegung gesetzt wird. Die Rutschkupplung schließt auf der anderen Seite die automatische Propellerbremse aus, an ihrer Stelle kommt der auch sonst übliche Propellerstopper wieder zum Einsatz.

Für den Probeflug hat man mir die Competition in Bruchsal bis zum Stehkragen, sprich für ein maximales Fluggewicht von 600 kg, aufgefüllt. Fünf Liter im Hecktank verlegen den Fluggewichtsschwerpunkt ins hintere Drittel.

Die erste Überraschung gibt’s gleich beim Start. Aus der Aufbauposition rolle ich das 18-mFlugzeug gestützt aufs Flächenrädchen und gelenktem Heckrad in die Graspiste, die Wölbklappen stehen schon in der für den Steigflug optimalen +8-Grad-Stellung. Noch in der Überlegung, bei rund 70 Litern Wasser in der abgelegten Fläche den Startlauf vielleicht doch besser mit negativer Wölbklappenstellung zugunsten einer schnelleren Querruderwirksamkeit zu beginnen, hat die Competition schon zügig Fahrt aufgenommen. Es dauert zwar etwas, bis sich trotz vollem Gegenquerruder die Fläche hebt, aber alles macht einen sicheren Eindruck, eine Ausbruchstendenz zeigt sich nicht. Umwölben und damit ein mögliches Verreißen des Flugzeugs in dieser Phase ist auch mit der 50er Flächenbelastung nicht notwendig. Nach der halben Bahn hat sich die Competition aus dem Gras gehoben und klettert mit satten 3,5 m/s. Ganz so als würde das Triebwerk von der zusätzliche Masse nicht einmal Notiz nehmen.

Das DEI-NT informiert derweil über die wichtigsten Motordaten. Mit 90 km/h (noch deutlich über der Mindestfahrt) wird die beste Steiggeschwindigkeit erzielt.

Der Wechsel in die Segelflugkonfiguration erfolgt mit dem DEI-NT automatisch gesteuert, DG-typisch komfortabel. Mit dem Ausstellen der Zündung ist es fast schon getan. Nur das Senkrechtstellen des Propellers, nach dem Abstoppen und Zurückschwenken des Propellerturms um eine Stufe, erfordert etwas Zuwendung. Ein Druck auf den Anlasser beziehungsweise ein klein wenig Fahrtaufnahme treibt ihn gegen den Stopper. Die Kontrolle erfolgt über den kleinen Rückspiegel auf dem I-Pilz oder die Grafik im DEI-NT.

Über dem ausgedehnten Waldgebiet nordwestlich Bruchsal tappe ich im Blauen in gutes Steigen. Alles weitere läuft wie von selbst: Reinlegen und aufdrehen – ganz so als seien die 150 Liter Wasser gar nicht an Bord.

Agil folgt die Competition dem Befehl aus dem Handgelenk und dreht fast auf der Stelle ein. Ein klein wenig nachzentrieren, und schon zieht die DG stabil ihre Runden im Steigzentrum. Von erhöhten Ruderkräften keine Spur. Die Optimierung des Schwerpunkts belässt dem Knüppel auch bei größeren Schräglagen noch eine angenehme Mittelstellung. Korrekturen um die Querachse lassen sich so im linearen Arbeitsbereich des Höhenruders feinfühlig steuern.

Zweite Überraschung: Jeder Quadratmeter Flügel muss zwar 50,8 kg tragen, aber der Eindruck in einem behäbigen, steuerunwilligen Tanker zu sitzen, blitzt nicht einmal für einen Augenblick auf.

Die Überziehwarnung, die mit einer Art Anstellwinkelmessung im neuen DEI verwirklicht wurde, meldet sich hier über eine Hupe. Da hat mir allerdings der Vibrationsalarm im Knüppel der DG-1000T besser gefallen. Das taktile Signal hebt sich ganz klar aus den vielen akustischen Anzeigen heraus und dürfte auch in Stresssituationen direkt Zugang zum Piloten finden. Für den Fall, dass Funk, Vario, Navigationsrechner mit Luftraumwarnung, eventuell noch das Kollisionswarngerät FLARM das Cockpit zur Discothek umfunktionieren und dann die Überziehwarnung dazu kommt – akustische Fahrwerkswarnungen gibt’s auch noch – dürfte diese Warnung in dem ganzen Konzert eher untergehen. Die Überziehwarnung als Vibrationsalarm wird allerdings als Option angebote

Bei der 50er Flächenbelastung meldet sich das Horn im Kurvenflug mit rund 30 Grad Schräglage rechtzeitig bei zirka 105 km/h. Hier wird dann doch unübersehbar, dass eine hohe Flächenbelastung mit Nachteilen erkauft werden muss. Die Überziehgeschwindigkeit im Geradeausflug mit den Wölbklappen in Kurbelstellung (+8 Grad) liegt bei der hohen Flächenbelastung bei 82 km/h.

So richtig Freude kommt auf, wenn man die Competition mit dieser Flächenbelastung laufen lassen kann. Mit Wölbklappenstellung -14 Grad und 200 km/h Anzeige schießt sie – die Nase nur knapp unter den Horizont gesenkt – dahin. Unbeirrt zieht sie ihre Bahn in ruhiger Luft beträgt das Sinken dabei gerade mal 1,70 m/s. Es ist gerade so, als würde der Flug horizontal ablaufen. Unter einem wechselt die Landschaft.

Den guten Eindruck stört nur die etwas hakelige und mit größerem Kraftaufwand zu betätigende Wölbklappenverstellung in den Schnellflugpositionen.

Zum Abschluss werfe ich das Wasser raus und lasse die Competition noch einmal jetzt mit einer Flächenbelastung von rund 38 kg/m2 – aufdrehen. Um so viel leichter, geht’s sehr viel langsamer und enger, wie gemacht für schwache und enge Bärte. Und es zeigt sich: Auf die Steuercharakteristik hat die Beladung, vorausgesetzt der Hecktank wird sinnvoll genutzt, keinen Einfluss. Die Competition ist in beiden Fällen sehr agil und lässt sich fast schon um die Ecken “denken”.

Mit der Erweiterung der Gewichtsgrenzen und der neuen Triebwerkselektronik hat die DG-808 noch einmal deutlich gewonnen, wobei die höhere maximale Flächenbelastung vor allem für Wettbewerbspiloten interessant ist. Der neue Name ist also schon gerechtfertigt.

Aber nicht jeder 808-Fan muss diesen wettbewerbsorientierten Trend mitmachen. Für Piloten, für die sich die hohe maximale Flächenbelastung nicht rechnet, weil ihnen eher daran gelegen ist, den ganzen Flugtag zu nutzen, beginnend mit der schwachen morgendlichen Thermik, gibt es derzeit weiterhin die DG-808C mit der maximalen Flächenbelastung von 44,5 kg/m2.

Gerhard Marzinzik